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Mit Loisl auf der Suche nach den ersten Spuren des Frühlings

Als ich heute, viel früher als gewohnt, zur Koppel kam waren die Pferde etwas verwundert. Nach eingehender Begrüßung "ihres Menschen" widmeten Mylady und Zip sich wieder ihrem Tagesgeschäft in Form von zwei prallen Heunetzen - doch Loisl, unser alter weiser Wallach, schien andere Pläne zu haben.

Ruhelos wanderte er um den Stall, während ich mich meiner täglichen Arbeit widmete. Ein paar Minuten später hielt ich in meinem Tun inne und ging zu ihm hinüber, um herauszufinden über was er so aufgeregt war. Er blieb stehen, schaute mich so eindringlich an, wie nur er es vermag und ich verstand nahezu sofort.


Er wollte nun endlich los - die Zeit des am Stall Herumstehens war für ihn vorbei und er konnte nicht verstehen, dass seine beiden Pferdekumpels dies nicht genau so sahen wie er. Ich ging ganz nah an ihn heran und flüsterte: "Los Freund, wir suchen den Frühling - es ist bald Lichtmess und ich habe in unserem Garten schon die ersten Schneeglöckchen entdeckt" in sein wolliges Ohr und ging den Weg zur offenen Koppel herunter, worauf er mir in respektvollem Abstand folgte.


Alles war noch rauhgereift von der Nacht und über der Landschaft hing ein mystisch anmutender Nebel. Wir gingen ein ganzes Stück, bis wir stehen blieben und gemeinsam in die noch trostlose Landschaft starrten. Nach Frühling schaute das ganz und garnicht nicht aus - bis mir wieder einfiel, dass die alte Hel, die schwarze Göttin, zu der Lichtweih ihr schwermütiges Kleid der Trauer welches sie trägt, um die Sonne zu beweinen, abwirft und sich durch den ersten Impuls der Wiederkehr des Lichtes - als schöne "weisse Jungfer" - in der Gestalt der Freya aus sich selbst heraus neu gebiert. In diesem Moment konnte man sie erahnen - wie sie auf den Feldern das Erwachen der Knospen herbeitanzt, ihr Kleid so zart wie die Schleier der Nebel und ihre Gestalt so entrückt ätherisch und unnahbar wie die scheidende Kälte des Winters.


Als diese Erkenntnis durch mich hindurchging, kaute Loisl zufrieden ab und stupste mich sanft mit seiner großen, weichen Pferdenase an, um noch ein Stück weiterzugehen. Wir gingen noch ein ganze Weile, bis er sich umdrehte um leicht entnervt zu sehen wo die anderen denn bleiben. Sie standen anscheinend immer noch am Stall herum und kauten zufrieden ihr Heu. Irgendwann sagte ich zu ihm: "Weisst du Loisl, jene die voraus gehen müssen manchmal etwas mehr Geduld für die aufbringen, die noch etwas mehr Zeit benötigen" und dass eben alles seine Zeit hätte, auch "furchtbar wichtige Spaziergänge". Er schaute mich wissend an, wie wenn er das genau so eingefädelt hätte, dass ich selbst auf diese Sache kommen musste. "Menschen sind eben etwas schwer von Begriff", schien er mir zu übermitteln.

Das Gras wächst nicht schneller, auch wenn man daran zieht - und selbst der anstrengenste Winter geht nicht schlagartig vorbei, weil uns gerade nach einer Auszeit in der Sonne ist. Wie im Schnelldurchlauf schossen die beiden entbehrungsreichen Jahre 2020 & 2021 wieder an mir vorbei - und ich stellte fest, dass in meinem Kopf die ganze Zeit Winter gewesen war, weil ich mit kurzen Unterbrechungen, in der ständigen Einkehr gelebt hatte. Nun hatte ich das Gefühl, dass sich etwas grundlegend ändern würde, was mich durch diese Zeit begleitet hatte - etwas, wofür ich auch jetzt noch keine Worte habe, sondern viel eher ein Gefühl seiner Energie.

Loisl drehte sich um und beschloss wieder zurück zum Stall zu gehen und dieses Mal war ich es, der ihm in respektvollem Abstand folgte. Vorne angekommen ging er zu den anderen, um sich nun nach unserem kleinen Ausflug auch eine Portion Heu zu gönnen - ich umarmte seinen Hals, bedankte mich für diese wichtige Lektion, verabschiedete mich von ihm und dem Rest der Herde und ging nach Hause - darüber nachsinnend, was in dieser Botschaft alles enthalten ist, was mir auf den ersten Blick entgangen sein mag.

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